Kinder, die auf eine Waldorfschule gehen, profitieren von allerhand Vorteilen. Da die Pädagogen an diesen Schulen sehr viel Wert auf die Individualität eines jeden Kindes legen, kann sich der Charakter der Schüler oftmals besonders gut entfalten. Trotzdem fällt es vielen Eltern schwer, sich für die Waldorfschule zu entscheiden. Tatsächlich sollte man sich gut überlegen, ob man sein Kind an eine solche Schule schickt, denn im Vergleich zu herkömmlichen Schulen hat diese Schulform sowohl Vorteile als auch Nachteile.
Abgrenzung der Waldorfschule vom Waldorfkindergarten
Insbesondere Eltern, deren Kinder bereits einen Waldorfkindergarten besucht haben, ziehen nun in Erwägung, ihr Kind auch an einer Waldorfschule anzumelden. Tatsächlich wird schon im Waldorfkindergarten großer Wert darauf gelegt, dass die Kinder viel in der Natur unterwegs sind und fast nur mit natürlichen Spielzeugen beschäftigt werden. Doch in der Waldorfschule kommen noch einige weitere Besonderheiten hinzu. Diese Entscheidung sollte sehr gut überlegt sein, denn sie wird für eine deutlich längere Zeit getroffen, als das beim Waldorfkindergarten der Fall ist.
Was spricht für eine Waldorfschule?
Bei einer Waldorfschule wird jedes Kind gefördert, egal ob es besonders begabt oder eher leistungsschwach ist. Es handelt sich um eine Gesamtschule, sodass man je nach Fähigkeit des Kindes später entscheiden kann, ob es einen Hauptschulabschluss, einen Realschulabschluss oder das Abitur machen möchte. Für Waldorfschulen spricht schon einmal, dass die Abiturrate dort besonders hoch ist. Doch welche weiteren Vorteile hat eine Waldorfschule gegenüber einer normalen Schule noch?
Keine Schulnoten, kein Leistungsdruck, keine Sitzenbleiber
Der wesentlichste Unterschied zur normalen Schule besteht darin, dass Schüler an Waldorfschulen keine Schulnoten erhalten. Stattdessen bekommen sie am Schuljahresende eine ausführliche persönliche Beurteilung, in welcher die Lehrer auf die Fähigkeiten des Schülers eingehen. Dabei werden nicht nur die schulischen Leistungen beschrieben, sondern auch besondere Talente und Charakterzüge. Dadurch, dass die Schüler an Waldorfschulen nicht permanent durch Noten beurteilt werden, sinkt im Allgemeinen auch der Leistungsdruck. Sitzenbleiber gibt es in Schulen, die im Sinne der Waldorfpädagogik unterrichten, ebenfalls nicht. Das hat den Vorteil, dass auch leistungsschwächere Schüler in der Klassengemeinschaft verbleiben können.
Konstante Klassengemeinschaft von der ersten bis zur zwölften Klasse
Ein weiterer wichtiger Vorzug von Waldorfschulen besteht darin, dass die Klassengemeinschaft während der gesamten schulischen Laufbahn annähernd konstant bleibt. Besonders begabte Schüler werden nicht an Gymnasien verwiesen, sondern können ihr Abitur an der Waldorfschule machen. Das hat den Vorteil, dass die schwächeren Kinder leistungsstarke Vorbilder haben, von denen sie mitgezogen werden. Ein Teil des Unterrichts wird fast immer in der kompletten Klassengemeinschaft durchgeführt, während die Klasse in den späteren Schuljahren für bestimmte Fächer wie Werken, Geschichte oder Kunst geteilt wird.
Keine ständigen Lehrerwechsel
Da es für Kinder sehr wichtig ist, dass sie eine erwachsene Bezugsperson haben, legen Waldorfschulen viel Wert auf den Klassenlehrer. Dieser Lehrer bleibt der Klassengemeinschaft mindestens bis zur sechsten Klasse erhalten, manchmal sogar bis zur achten Klasse. Der Klassenlehrer ist der erste Ansprechpartner für die Schüler in allen schulischen, aber auch persönlichen Fragen. In den ersten Schuljahren wird fast der komplette Unterricht ausschließlich vom Klassenlehrer geleitet. Erst später übernehmen Fachlehrer bestimmte Fächer.
Lehrer haben eine spezielle Ausbildung
Schüler an Waldorfschulen profitieren häufig von den besonderen Qualifikationen ihrer Lehrer. Die Waldorfpädagogen benötigen eine spezielle Ausbildung, die zum Beispiel an der Freien Hochschule Stuttgart absolviert werden kann. Zudem ist eine Weiterbildung in Form von Lehrerseminaren möglich, welche beispielsweise in Kassel angeboten werden. Die Fähigkeiten und das Wissen, dass sich Waldorflehrer in ihrer Aus- und Weiterbildung aneignen, kommt den Schülern später zugute.
Hauptunterricht in Epochenform
Die morgendlichen ersten beiden Schulstunden, in der Regel von 8 bis 10 Uhr, werden als Hauptunterricht bezeichnet. Dieser ist in Epochenform ausgerichtet, was bedeutet, dass dasselbe Fach immer für mehrere Wochen in dieser Zeit gelehrt wird. So konzentrieren sich die Schüler zwei bis drei Wochen auf Physik und wenden sich dann für die nächsten drei Wochen dem Fach Geschichte zu. Das hat den Vorteil, dass die Kinder sich über einen längeren Zeitraum mit einem Thema beschäftigen können, wodurch sich der Lerneffekt enorm verbessert.
Konzentration auf die künstlerische Begabung von Kindern
An Waldorfschulen legt man aber nicht nur Wert auf Wissensvermittlung, sondern möchte Kinder auch in ihren kreativen Fähigkeiten voranbringen. Daher nehmen Fächer wie Kochen, Werken, Kunst und Musik einen großen Bestandteil des Unterrichts ein.
Zwei Fremdsprachen ab der ersten Klasse
Eine Besonderheit, die von vielen Eltern und Schülern als positiv empfunden wird, besteht auch darin, dass die Kinder an Waldorfschulen schon ab der ersten Klasse zwei Fremdsprachen erlenen. Mittlerweile ist bekannt, dass man eine Sprache umso besser erlernen wird, je früher man mit dem Lernen beginnt. Daher sprechen die Absolventen von Waldorfschulen meist nicht nur fließend ihre Muttersprache und Englisch, sondern zusätzlich noch eine weitere Fremdsprache.
Was spricht gegen eine Waldorfschule?
Doch natürlich hat auch eine Waldorfschule ihre Nachteile, über die man sich im Klaren sein sollte, bevor man sich dafür entscheidet, sein Kind auf eine solche Schule zu schicken.
Eltern müssen Schulgeld zahlen
Obwohl Waldorfschulen vom Bund staatlich anerkannt sind, befinden sie sich in freier Trägerschaft und werden durch Selbstverwaltung geleitet. Das bedeutet, dass Eltern Schulgeld zahlen müssen, wenn ihre Kinder eine Waldorfschule besuchen. Die Höhe des Schulgelds hängt einerseits vom Bundesland und andererseits von der gewählten Schule ab. Meistens zahlt man mindestens 80 Euro. Höher als 200 Euro liegt das Schulgeld in der Regel aber nicht.
Kinder kommen nicht immer mit ihren Lehrern zurecht
Die Tatsache, dass der Klassenlehrer mindestens sechs Jahre das Oberhaupt der Schulklasse bleibt, ist im Grunde zwar positiv, kann sich aber auch schnell ins Negative umkehren. Nicht nur an normalen Schulen kommt es vor, dass ein Kind sich einfach nicht an einen Lehrer gewöhnen kann und daher nicht mit ihm zurechtkommt. Während man an normalen Schulen dann die Chance hat, im nächsten Jahr schon einen neuen Klassenlehrer zu bekommen, muss man es mit dem unbeliebten Klassenlehrer an einer Waldorfschule mindestens sechs Jahre lang aushalten.
Schulbücher und feste Lehrpläne sind oft nicht vorhanden
Was insbesondere Eltern häufig nicht nachvollziehen können, ist die Tatsache, dass Schüler an Waldorfschulen weder Schulbücher noch feste Lehrpläne haben. Statt Schulbüchern gibt es dort die sogenannten Epochenhefte, die von jedem Kind selbst gestaltet werden. Der Lehrplan ist im Groben zwar vorhanden, kann von Lehrern und Lehrerinnen jedoch stets umgestaltet und optimiert werden. Viele Eltern können daher nicht nachvollziehen, welchen Unterrichtsstoff ihr Kind im Moment behandelt und welche Inhalte im laufenden Schuljahr noch behandelt werden sollten.
Teilweise wurden zweifelhafte Lehren verfolgt
Aufgrund der zum Teil zweifelhaften Lehren und Methoden an Waldorfschulen war die Waldorfpädagogik vor einigen Jahren immer wieder im Disput. Insbesondere die Tatsache, dass man an einigen Waldorfschulen versuchte, linkshändig arbeitende Kinder zu Rechtshändern umzuerziehen, ließ viele Eltern aufschreien. Fakt ist, dass diese Methoden längst nicht an allen Waldorfschulen praktiziert wurden, es aber durchaus möglich war, dass man an manchen Waldorfschulen Versuche unternahm, Rechtshänder aus Linkshändern zu machen.
Die Waldorfschule ist heute allerdings der Meinung, dass eine Umerziehung nicht im Wohle des Kindes ist und gibt folgendes Statement dazu:
Eine gewaltsame Umstellung von links auf rechts behindert diese Beheimatung im eigenen Körper und steht daher im Widerspruch zur Waldorfpädagogik.
An manchen Schulen ist die Klassengemeinschaft sehr groß
Ein weiterer Nachteil ist, dass die Klassengemeinschaft an manchen Schulen sehr groß ist. Die leistungsschwächeren Schüler laufen Gefahr, in einer sehr großen Klasse regelrecht unterzugehen und nicht die Förderung zu erhalten, die sie eigentlich benötigen. In einigen Fächern werden die Klassen jedoch in kleinere Gruppen geteilt, sodass eine individuellere Einflussnahme dann durchaus möglich ist.
Fazit
Fakt ist, in keinem Land gibt es so viele Waldorfschulen wie in Deutschland, denn mittlerweile sind es über 200 Schulen, welche nach den Prinzipien der Waldorfpädagogik lehren. Es ist daher davon auszugehen, dass die spezielle an Waldorfschulen angewandte Pädagogik durchaus seinen Sinn macht und Waldorfschulen insbesondere in Deutschland sehr beliebt sind. Wer trotz allem nicht sicher ist, ob die Waldorfschule das Richtige für sein Kind ist, der sollte sich bei den Schulen genauere Informationen einholen. Auf der Website des Bunds der Freien Waldorfschulen findet man Termine für Veranstaltungen und weitere ausführliche Informationen.
Artikelbild: © Oleg Krugliak / Shutterstock
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