Es ist jeden Morgen die gleiche Sorte Kaffee, genau die gleiche Menge Pulver auf die gleiche Menge Wasser und die gleiche Wartezeit. Für zahlreiche Deutsche beginnt schon der Tag mit einem festen Ritual. Dabei ist den wenigsten bewusst, in wie vielen Dingen sie immer den gleichen Ritus zelebrieren. Schon gewusst, dass die Lottozahlen oft dieselben sind und auch schon Schiller schräge Rituale hatte? Auch der berufliche Erfolg kann von ihnen abhängig sein.
Immer dasselbe? Warum Rituale unser Leben erleichtern
Ertappt beim Lesen dieser Zeilen, weil Sie gerade dieselbe Kaffeetasse in der Hand halten, wie jeden Morgen? Macht nichts. Damit sind Sie in guter Gesellschaft, denn Untersuchungen zu Folge verfolgen 97 Prozent ein festes Alltagsritual: das morgendliche Duschen, der Spaziergang in der Mittagspause, der Film am Abend. Forscher bestätigen, dass diese Rituale Ordnung schaffen. Fehlen sie plötzlich, fühle sich der Mensch unvollständig. Dies machte und macht sich vor allem die Religion zunutze, um so dem Gläubigern Halt zu geben. In östlichen Glaubensrichtungen sind die Rituale noch stärker ausgeprägt, als im Westen. Rituale fördern auch die Gesundheit, vor allem bei der Integration in den Familienalltag. Kinder werden durch Chaos krank, sagt eine Studie der Krankenkasse AOK. Hirnforscher wissen um die Vorteile dieser Rituale: Sie schaffen Ordnung in der unberechenbaren Welt um den Menschen herum. Jeder Tag ist anders. Das wird als Chaos empfunden. Durch die Regelmäßigkeiten bekommt er dennoch Struktur. In der Gemeinschaft zählen währenddessen keine berufliche Stellung und Unterschiede. Das verbindet ebenso. Zudem werden diese Rituale automatisch ausgeführt – keine extra Investition ist notwendig, Erlerntes wird automatisiert abgerufen. Das spart wertvolle Energie.
Typische Rituale: Was wir täglich tun
Fast jeder hat einen Ritus, der jeden Tag wiederholt wird. So startet einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „forsa“ zufolge 76 Prozent der Einwohner von Nordrhein-Westfalen mit einem Kaffee in den neuen Tag. (Quelle: Sentibar.com). 59 Prozent schauen jeden Abend um 20 Uhr die Tagesschau und 20 Prozent essen jeden Abend mit der Familie gemeinsam. Typische Handlungen, die viele von uns verfolgen, sind auch die Gutenacht-Geschichte für den Nachwuchs, der Familienausflug am Wochenende, bestimmte Lieder zu bestimmten Anlässen oder das jährliche Plätzchenbacken in der Vorweihnachtszeit. Auch in der Arbeitswelt empfehlen Experten, an Ritualen festzuhalten. Wer im beruflichen Alltag oft das Gefühl hat, nicht wirklich etwas zu erreichen, kann dies mit einem einfachen Trick ändern: mit der Einführung des täglichen Belohnens! Das kann das kleine Stückchen Schokolade nach getaner Arbeit sein, das Lieblingslied oder die nächste Folge der Lieblingsserie. Das Geschaffte unterscheidet sich damit nicht von anderen Tagen, aber das Feiern dessen bringt dies mehr ins Bewusstsein. Der Arbeiter fühlt sich durch dieses Ritual erfolgreicher.
Kreative Rituale: Von den Größen der Zeit lernen
Das wussten auch schon Künstler in der Vergangenheit. Gerade wenn Kreativität wichtig ist, sind so manche komische Marotten im Alltag zu finden, wie eine Auflistung von Autor Mason Currey beweist. Er hat in einem Buch die kuriosen Rituale von den kreativen Gehirnen unserer Gesellschaft gesammelt. Demnach brauchte Friedrich Schiller beispielsweise den Geruch des Verfalls, um überhaupt schreiben zu können. So bewahrte er in seinem Schreibtisch faulende Äpfel auf. Der Schriftseller Truman Capote konnte nur im Liegen gut nachdenken, David Lynch brauchte sieben Jahre lang einen Milchshake und bis zu sieben Tassen Kaffee mit viel Zucker – konsumiert in demselben Café, auf dessen Servietten er dann seine Ideen aufschrieb. Thomas Edison benötigte epische Aufgabenlisten, Tschaikowski einen Spaziergang, der jeden Tag zur selben Zeit startete, dieselbe Dauer hatte und zur selben Zeit endete. Beethoven zählte die Anzahl der Kaffeebohnen für den morgendlichen Kaffee genau ab. Und – welche Rituale haben Sie?
Kalkuliertes Glückspiel: Es sind immer dieselben Lottozahlen
Ein beliebtes Ritual ist auch das Spielen von Lotto. Regelmäßig die Glückszahlen zur Million auf dem Konto auf dem Lottoschein auszufüllen, gehört für 20 Prozent zu ihren Ritualen. Und selbst dabei gibt es weitere Ritusse. So spielen 61 Prozent der Forsa-Umfrage immer die gleichen Zahlen, obwohl über 13 Millionen Varianten zur Verfügung stehen. 16 Prozent der Teilnehmer spielen immer im gleichen zeitlichen Abstand. 8 Prozent von ihnen suchen dazu sogar immer dieselbe Annahmestelle auf. Die Teilnehmer behaupten, dass ihnen das Glück bringt. 57 Prozent der 35- bis 49-Jährigen sind davon überzeugt. Ihre Regelmäßigkeiten haben die meisten dabei selbst entwickelt, doch jeder Fünfte hat sie von Eltern und Großeltern übernommen. Und auch hier finden sich beliebte und unbeliebte Zahlen. Häufig getippt werden beispielsweise Ziffern im mittleren und oberen Bereich des Lottofeldes. Ist bei Ihrem Tipp auch die Zahl 19 zu finden? Beliebt sind auch Muster im Lottofeld. Doch Experten raten davon ab – denn die Analyse zahlreicher Lottoscheine hat ergeben, dass die Gewinnhöhe dadurch deutlich verringert wird, weil zahlreiche Spieler die gleiche Kombination haben. Also: Entgegen den Ritualen kann sich exotisches Tippen ebenso lohnen. Die Feier des Gewinns kann ja dann wieder mit einem morgendlichen Kaffee absolviert werden.
Artikelbild: © Eldar Nurkovic / Bigstock.com
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