Die Nachtruhe ist ein wichtiges Ritual für den menschlichen Körper. In der modernen Zivilisation wird der Schlaf aber auch zu weiteren Prozessen genutzt. Wer kennt nicht das Prinzip „Schlank im Schlaf“? Für Kurzsichtige gibt es ein weiteres Phänomen, dass ihnen durch die Nachtruhe den Alltag erleichtern könnte: scharfes Sehen im Schlaf. Die Zaubermittel dafür sind sogenannte „Ortho-K-Linsen“, Kontaktlinsen, die nachts in die Augen gesetzt werden und die Hornhaut so verformen, dass die Augen am Tag scharf sehen können. Das Prinzip stammt aus den USA.
Doch schon im alten China sollen Sandsäckchen auf den Augen den gleichen Effekt bewirkt haben. Sind die neuen Linsen eine echte Alternative zu Brille und Operation? In Japan und den USA werden sie bereits häufig eingesetzt, in Deutschland sind sie immer noch selten zu finden.
So wirken „Ortho-K-Linsen“
Hinter dem Durchblick über Nacht versteckt sich die „Ortho-Keratologie“. Das Wort „ortho“ stammt aus dem Griechischen. Übersetzt heißt es „richtig“. Die „Keratologie“ ist die Lehre der Hornhaut. Zusammengenommen versteckt sich dahinter daher eine Korrektur der Hornhaut, die durch die Kontaktlinsen ausgeführt wird. Die Hornhaut ist unter anderem ausschlaggebend für richtige Sehschärfe, denn ihre Dicke und Form beeinflusst die Lichtbrechung. Bei Kurzsichtigkeit kann eine falsche Krümmung der Hornhaut die Ursache dafür sein, dass das Bild unscharf ist. Eben diese korrigieren die „Ortho-K-Linsen“.
Im Schlaf üben sie einen im Vorhinein vom Experten genau berechneten Druck auf bestimmte Stellen der Hornhaut aus, um diese zu verändern. In der Hornhaut beginnt eine Zellumverteilung: Die Mitte wird dünner, die Ränder dicker und eine vorliegende Krümmung wird ausgeglichen. Dadurch verändert sich auch die Lichtbrechung, bevor es auf die Netzhaut trifft: Das Bild wird scharf – zumindest für ein paar Stunden. Das Verfahren klingt vielversprechend. Doch wie bei allen Methoden gilt es hier, das Für und Wider abzuwägen. Denn die Linsen haben Vor- und Nachtteile.
Vorteile der „Ortho-K-Linsen“
Auf einen Blick:
- schnelle Korrektur über Nacht
- 8 bis 16 Stunden gutes Sehen
- keine Sehhilfe am Tag
- Korrektur ist reversible
Zu den unschlagbaren Vorteilen gilt die Anwendung in der Nacht. Sind die Linsen optimal angepasst, kann schon nach etwa drei Nächten eine Verbesserung der Sehschärfe festgestellt werden. In den ersten Tagen schwindet der Effekt in den Abendstunden. Nach ein bis zwei Wochen kann jedoch ein gutes Sehen ohne weitere Hilfe für acht bis 16 Stunden erreicht werden. Das erleichtert so manchem Kurzsichtigen den Alltag ungemein. Brille, Operation und Tageslinsen werden somit überflüssig.
Ein weiterer Vorteil ist die reversible Eigenschaft des Verfahrens – es kann rückgängig gemacht werden. Die Hornhaut strebt stets in ihre alte Form zurück. Werden die „Ortho-K-Linsen“ nachts nicht mehr verwendet, verschwindet der Effekt. Somit ist die Entscheidung, die Linsen einmal auszuprobieren, keine Entscheidung auf Dauer, wie andere Alternativen beispielsweise. Kommt der Kurzsichtige mit dem Verfahren aus irgendwelchen Gründen nicht zurecht, kann er es einfach stoppen und andere Wege einschlagen, um scharfes Sehen zu erreichen.
Nachteile der „Ortho-K-Linsen“
Auf einen Blick:
- aufwendige Anpassung
- nur leichte bis mittlere Kurzsichtigkeit korrigierbar
- entgegen herkömmlicher Routine
- nicht für Kinder, Allergiker und trockene Augen
- nicht für Autofahrer geeignet
- teure Methode
- Langzeitwirkung kaum erforscht
Doch auch bei diesem in Deutschland noch eher seltenen Verfahren hat die Medaille zwei Seiten und es gibt auch Nachteile der „Ortho-K-Linsen“. Zum einen müssen die Stellen der Hornhaut und der Druck der Linsen von speziell geschulten Fachmännern genauestens festgelegt werden. Das heißt für den Patienten: Geduld und Zeit mitbringen. Der Optiker prüft zunächst, ob die Hornhaut überhaupt für das Verfahren geeignet ist. Nur eine Kurzsichtigkeit von bis zu -4,5 Dioptrien und eine Hornhautverkrümmung bis 1,5 Dioptrien kann überhaupt damit korrigiert werden. Die Augen müssen ansonsten gesund sein, Allergiker und trockene Augen sind ebenfalls nicht für diese Methode geeignet. Denn auch wenn die Linsen aus einem sauerstoffdurchlässigen Material gefertigt sind, kann es zur Einschränkung der Sauerstoffversorgung des Auges kommen.
Ebenso sollten sie nicht bei Kindern angewendet werden, da sich diese nachts oft die Augen reiben und so die Linsen verschieben. Wer bereits durch Tagesmethoden an Kontaktlinsen gewöhnt ist, muss seine bisherige Routine mit den „Ortho-K-Linsen“ vollständig auf den Kopf stellen. Denn sie werden abends eingesetzt und am Morgen wieder herausgenommen. Für Autofahrer ist die Methode ebenfalls nicht sehr empfehlenswert, denn die Sehleistung kann am Tag schwanken. Das kann hinterm Steuer gefährlich werden und macht „Ortho-K-Linsen“-Träger ungeeignet für den Straßenverkehr.
Wer sich für dieses Verfahren entscheidet, muss ebenso tief in den Geldbeutel greifen. Die Methode ist teuer. Nutzer sollten mit Kosten von 500 bis 600 Euro pro Linsenpaar rechnen, die nur für ein Jahr Nutzungsdauer ausgelegt sind. Dazu kommen Reinigungsmittel und Kontrolluntersuchungen, die ebenfalls nicht billig sind. Auch ist die Wissenschaft hier noch nicht so weit, dass die Langzeitauswirkungen der Linsen erforscht sind. Lediglich einzelne Fallbeobachtungen sind hier bisher vorhanden.
Fazit:
Wer sorgfältig Vor- und Nachteile der „Ortho-K-Linsen“ abwägt, kann für sich schnell eine Entscheidung treffen, ob die Methode passend sei, um Kurzsichtigkeit zu entfernen. Wer über die möglichen finanziellen Mittel verfügt, sollte es zumindest auf einen Versuch ankommen lassen. Denn wenn die Methode nicht den gewünschten Effekt bringt, so ist das Umsteigen auf weitere Alternativen leicht gemacht. Der Vorteil, dass die Auswirkungen reversible sind, machen das Ausprobieren leicht. Nur das Autofahren wird dadurch unmöglich, was in keinem Fall auf die leichte Schulter genommen werden sollte.
Artikelbild: © wavebreakmedia / Shutterstock
Jim Winkler meint
Guten Tag,
das ist ja toll, bisher habe ich von diesen Linsen nie wirklich etwas gehört. Das wäre ja perfekt wenn ich meine minus 5.0 Kurzsichtigkeit damit ausgleichen könnte. Denn eine Operation kommt nicht in Frage.