Die Überschrift dieses Artikels lässt auf ein neues Medikament schließen, das das gnadenlose Fortschreiten der gefürchteten Alzheimer-Erkrankung bremsen soll. Um ein Medikament im eigentlichen Sinne handelt es sich bei „Souvenaid“ aber nicht. Es geht um den nährstoffreichen Drink eines bekannten Nahrungsmittelherstellers. Das Unternehmen würde vom Erfolg seines Alzheimer-Nahrungsmittels erheblich profitieren.
Am Anfang entstand die „Functional Food“ – Nahrungsmittel, die mit Vitaminen, Mineralien, Ballaststoffen oder anderen gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen aufgepeppt sind. Kritiker weisen darauf hin, dass man gesundheitsrelevante Effekte auch mit sinnvoll zusammengestellter Nahrung erzielen kann. Die Frage ist, ob wir uns tatsächlich entsprechend ernähren. Erwiesen ist, dass man den Hirnstoffwechsel durchaus durch die Wahl der Lebensmittel beeinflussen kann. Ein amerikanischer Hirnforscher wurde daher als Berater bei dem genannten Lebensmittelkonzern angestellt. Danone hatte in der Vergangenheit bereits zahlreiche klinische Studien initiiert und finanziert. Es ging unter anderem um die Frage, inwieweit probiotische Nahrungsmittel auf die Darmgesundheit oder das Immunsystem einwirken können.
Ein noch viel besseres Geschäft versprechen aber gesundheitsfördernde Nahrungsmittel, die man über die Apotheke vertreiben oder an Kliniken liefern kann. In diesem Falle geht es um „Medical Nutrition“, medizinisch wirksame Nahrungsmittel. An medizinischen Nahrungsmitteln sind bereits mehrere namhafte Lebensmittelhersteller interessiert. Einige Pharmakonzerne haben bereits ihre Medical-Nutrition-Sparten an solche Unternehmen abgegeben. So kam es auch zu dem Marketingcoup, einen Drink gegen das Fortschreiten einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung zu entwickeln.
Einem Bericht im Fachmagazin „Alzheimer’s & Dementia (engl.)“ zu Folge soll ein medizinisch wirksames Getränk aus drei durch Forschungen ermittelten Nährstoffen den massiven Gedächtnisverlust verzögern, der eine beginnende Alzheimer-Erkrankung begleitet. Unter dem Produktnamen „Souvenaid“ soll das Getränk vermarktet werden. Bemerkenswert ist, dass Nahrungsmittel – also auch Medical Food – nicht den strengen Zulassungsverordnungen und Labortests der Pharmaindustrie unterliegen, sondern denen der Nahrungsmittelindustrie. Zulassungsprobleme bei den amerikanischen oder deutschen Gesundheitsbehörden entfallen also. Man kann den Alzheimer-Drink problemlos über eine nahrungsmedizinische Sparte des herstellenden Lebensmittelriesen vertreiben.
Die medizinisch wirksamen Inhaltsstoffe sind die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA, das Gewebshormon Cholin als Vorstufe eines Botenstoffs, der im Gehirn benötigt wird, sowie der stoffwechselrelevante RNA-Baustein Uridin. Dem Hersteller zu Folge kann „Souvenaid“ die Gedächtnisleistungen bei Alzheimer-Patienten verbessern – jedenfalls im Anfangsstadium. Der Drink beeinflusse die Bildung neuer Synapsen im Gehirn. Dies wurde in klinischen Studien des Unternehmens an Alzheimerpatienten nachgewiesen.
Andere wissenschaftliche Studien konnten allerdings nachweisen, dass man auch in Ländern, wo die Ernährung diese Stoffe auf natürliche Weise zuführt, deutlich weniger Alzheimer-Patienten finden kann. Man wirft den Herstellern des Alzheimer-Drinks vor, keine neuen Erkenntnisse zu liefern. Forscher verweisen darauf, dass man mit einer bewusst zusammengestellten Ernährung denselben Effekt erzielen könne. Der Lebensmittelhersteller kontert, dass ein medizinisch wirksames Getränk sicherstellt, dass immer die benötigte Menge der gehirnwirksamen Nährstoffe zur Verfügung stehe. Danone kann aber nicht behaupten, ein wirksames Medikament gegen Alzheimer erfunden zu haben.
Alzheimer-Forscher setzen weiterhin auf andere Strategien der Behandlung, weil „Souvenaid“ nur im Anfangsstadium der Alzheimer-Erkrankung einige Verbesserungen erzielen kann. Trotzdem ist der Beitrag der Nahrungsmittelhersteller für die Alzheimer-Forschung wichtig. Nahrungsmittelbezogene Studien würden im Medizinsektor niemals Finanzierungen aus der Pharmaindustrie finden. Der Nahrungsmittelkonzern testet bereits, wie Käufer das neue Produkt annehmen. Es soll über Apotheken vertrieben werden.
Artikelbild: © beccarra / Shutterstock
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